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Teil V u. VI


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3.5 Zelluläre Reaktionen auf In vitro-Bedingungen und Fremdkörper

3.5.1 Exocytose

In der Beschreibung der Haemocyten von S. cingulata wurde darauf hingewiesen, daß Discoide Haemocyten und Granulocyten vakuolisieren und strukturiertes Material exocytieren können. Für L. forficatus ist Entsprechendes für Plasmatocyten und Granulocyten von NEVERMANN et al. (1991) beschrieben worden.

Bei dem Versuch, lebende Haemocyten in Spreitungspräparaten mit WGA-FITC zu färben, zeigte sich, daß dieses Lektin bei beiden Chilopoden besonders an extracelluläres Material bindet; die Oberflächen der Haemocyten selbst bleiben ungefärbt. Auch intracellulär tritt bei lebenden Haemocyten keine Markierung durch WGA-FITC auf; es kann passiv nicht in die Zellen eindringen (mit etwa 36 kDa ist es dafür zu groß) und wurde auch nicht in erkennbaren Mengen in Pinocytosevesikel aufgenommen.

Das fluoreszierende Material 'klebt' ungleichmäßig verteilt an den Haemocyten. An Zellaggregaten ist die Markierung stärker und tritt besonders zwischen den Zellen auf (Abb. 65 u. 66); in der Umgebung sind z.T. strangartige Strukturen markiert.

Methanolfixierte - und dadurch auch permeabilisierte - Haemocyten von L. forficatus werden auch intracellulär mit WGA-FITC gefärbt. Besonders die Grana und Vakuolen der Granulocyten und Plasmatocyten fluoreszieren stark (Abb. 67 u. 68). Die Färbung des Golgi-Komplexes durch dieses Lektin (s. Kap. 2.5.1) ist nur in sehr flach gespreiteten Haemocyten erkennbar, denn die zahlreichen stark fluoreszierenden Grana überstrahlen alle anderen Strukturen in den Haemocyten. An und in den Sphaerulocyten wurde nur sehr geringe Markierung beobachtet.

Durch die Methanolfixierung werden die Strukturen des extrazellulären koagulierten Materials deutlicher. Der Raum zwischen den Haemocyten wird von langen, fluoreszierenden Fasern durchzogen. Sie sind durch Koagulationsprozesse in der Haemolymphe entstanden, die vor der Fixierung abliefen.

An einigen Zellen ist durch die Fixierung der Exocytosevorgang quasi eingefroren: Lange Schleppen stark fluoreszierenden Materials, das mehr oder weniger lange Fasern enthält, lenken die Aufmerksamkeit auf diese Zellen. Diese exocytierenden Zellen haben oft große mit WGA-FITC markierte Grana und entsprechen Granulocyten; aber auch einige typische Plasmatocyten sind exocytoseaktiv (Abb. 67).

3.5.2 LPS-Rezeptor?

Weder von den lebenden noch von den fixierten Haemocyten beider Chilopodenarten wurde das LPS-FITC gebunden. Anscheinend gibt es keinen spezifischen Rezeptor für LPS dieses Serotyps.

3.5.3 Pinocytose, Lysosomales Kompartiment

In Spreitungspräparaten von L. forficatus-Haemocyten waren nach der Inkubation mit FITC-Dextran, FITC-Px, TRITC-Albumin sowie Texas red-Albumin nur sehr schwache Fluoreszenzen in wenigen Zellen zu beobachten.

Nach Inkubation mit Texas red-Albumin (in geringerem Maß auch mit TRITC-Albumin) erschienen wenige schwach gelb-grüne Fluoreszenzen in Vakuolen, und nur sehr selten wurden winzige rot fluoreszierende Vesikel beobachtet. Die Fluoreszenzen waren jedoch zu schwach, um befriedigende fotografische Aufnahmen liefern zu können.

Nach Inkubation mit LY trat stärkere Fluoreszenz in Vesikeln und Vakuolen auf, die besonders in Kernnähe liegen. Feine tubuläre Strukturen waren sehr selten zu sehen, die allermeisten gefärbten Kompartimente waren mehr oder weniger sphaerisch. Außerdem fluoreszierte das gesamte Cytosol schwach.

Von anderer Qualität ist die AO-Färbung, denn dieser Farbstoff dringt passiv in die Zellen ein und wird in sauren Kompartimenten akkumuliert. In Plasmatocyten und Granulocyten zeigen einige größere und kleine Vakuolen Fluoreszenzen in grünen, gelben und seltener roten Farbtönen. Nur in wenigen Haemocyten waren viele stark rot-fluoreszierende Lysosomen zu sehen. Der Gesamteindruck der Färbung entspricht der mit LY, die Fluoreszenz im Cytosol war aber geringer. Bei längerer Inkubationszeit (> 15 min) wurde besonders in gespreiteten Plasmatocyten und Granulocyten beobachtet, daß sich kleine Kügelchen mit grüner Fluoreszenz distal in Zellfortsätzen ansammeln (Abb. 69). Dies scheint ein Artefakt der AO-Färbung zu sein, denn auch bei langer Färbung mit LY traten diese Ansammlungen nicht auf.

Frisch mit AO gefärbte Zellen wurden unter Fluoreszenzbedingungen schon nach kurzer Beleuchtungszeit geschädigt: die Vesikel und Vakuolen reißen auf und verlieren den Farbstoff, der dann schnell durch das Cytoplasma diffundiert und vor allem den Kern anfärbt. Wurden mit AO gefärbte Spreitungspräparate aufbewahrt und am nächsten Tag untersucht, war die Stabilität der AO-gefärbten Kompartimente wesentlich größer.

3.5.4 Phagocytoserate von Zymosan in vivo

In der Haemolymphe, die 2 h nach Injektion von FITC-Zymosan den Tieren entnommen wurde, lagen zwischen 0-3% der wiedergefundenen Partikel nicht in Haemocyten, und zwischen 3 und 10 % der Haemocyten enthielten phagocytierte Partikel (Abb. 73). Die relative Häufigkeit phagocytoseaktiver Zellen war bei Tieren mit einer kleineren Gesamthaemocytenzahl höher als bei denen mit mehr Haemocyten pro µl Haemolymphe. Bei einem Tier, dem die doppelte Konzentration an Partikeln injiziert worden war, lag die Phagocytoserate mit 17 % etwa doppelt so hoch wie bei den anderen Tieren.

Abb. 73: Phagocytose von Zymosan in vivo. Prozentuale Häufikeit von Haemocyten, die jeweils 1, 2, 3 oder 4 phagocytierte Partikel enthielten; 2 h nach Injektion von 500.000 Partikeln pro 100 mg Lebendgewicht (Gesamthaemocytenzahlen hinter der jeweiligen Tiernummer).

3.5.5 Phagosom-Lysosom Interaktion

Mit AO vorgefärbte L. forficatus-Haemocyten in Spreitungspräparaten phagocytieren das ihnen angebotene Zymosan in ähnlicher Weise, wie es ungefärbte Haemocyten in vivo tun. In Abb. 70 ist eine Gruppe von Haemocyten gezeigt, von denen zwei Zellen (60 min nach Zugabe) mehrere Partikel phagocytiert haben. Das Zymosan selbst hat in seinem Innern eine schwache Fluoreszenz (Färbung der Zellkernreste durch Spuren von AO im Medium?) und ist dadurch im Kulturmedium und in den Zellen erkennbar. In den Phagosomen ändert sich das Aussehen der Partikel zunächst nicht; die Zellwand dieser Hefezellen ist noch als dunkler Rand deutlich sichtbar. Partikel, die schon früher phagocytiert worden sind, fluoreszieren stärker als freie, und ihre Zellwand ist nicht mehr als dunkler Rand erkennbar.

Eine besondere Anordnung von Lysosomen um die Phagosomen herum konnte innerhalb von 3 h nach Zugabe der Partikel nicht beobachtet werden. Die Präparate wurden aber am nächsten Tag (nach 14-18 h) erneut untersucht. Dabei wurden in einigen Zellen neben kaum fluoreszierenden Phagosomen auch welche mit starker rötlicher Fluoreszenz gefunden, um die sich kleine rot fluoreszierende Lysosomen gruppiert hatten (Abb. 71 u. 72).

3.6 Ultrastruktur Untersuchungen der Phagocytose

3.6.1 Phagocytosen bei S. cingulata

Im REM-Bild sind Haemocyten von S. cingulata nur unzureichend mit phagocytierten Partikeln darzustellen, da die Gestalt der S. cingulata-Haemocyte ohnehin oft Vorwölbungen aufweist und meist nicht erkennbar ist, was sich unter der Zellmembran befindet. In einzelnen Fällen ist aber dennoch gut zu sehen, welche Partikel phagocytiert worden sind (Abb. 83 u. 84).

Auf Semidünn- und Ultradünnschnitten sind phagocytierte Partikel dagegen leichter zu finden (Abb. 82 u. 85, 87-90). Die phagocytierenden Zellen sind vornehmlich Granulocyten. Innerhalb von Knötchen bleiben sie meist abgerundet; liegen sie außerhalb der Knötchen, können sie auf dem Substrat gespreitet sein. Auffällig ist, daß gerade Zellen mit Phagosomen ihrerseits von benachbarten Zellen umschlossen und phagocytiert werden (Abb. 87-90).

Phagocytierte lMl bzw. Ml (bei den bewegten Zellkulturen) wurden auf den Ultradünnschnitten der Knötchen nicht oft gefunden. Die meisten Bakterien lagen außerhalb der Haemocyten und waren dort nie lysiert (Abb. 96). Auch innerhalb von Phagosomen, die z.T. mit einer elektronendichten Matrix gefüllt sind (Abb. 100), waren die lebenden Diplokokken nach einer Stunde noch nicht lysiert, und selbst in den 3 h alten Präparaten auf Cellophan wurden keine lysierten lMl gefunden (Abb. 98 u. 99).

3.6.2 Phagocytosen bei L. forficatus

An Lithobius-Haemocyten war die erfolgreiche Phagocytose bei den freiliegenden Zellen (nicht bewegte Zellkultur auf Glasdeckgläschen) recht leicht im REM-Bild zu identifizieren. Diese Haemocyten spreiten meist stark, und daher werden größere Objekte in ihrem Innern nach außen deutlich abgeformt. Ein überraschendes Ergebnis war die Phagocytose von LB-5 Partikeln durch Prohaemocyten (Abb. 113). Wie mit Zymosan (s.o.) wurden mit LB-5 und RRBC mehrfach Phagocytosen beobachtet (Abb. 114, 116 u. 117). Die Phagocytose der großen LB-16 ist dagegen für die Zellen kaum möglich: Die Haemocyten spreiten sich auf der Kugeloberfläche (Abb. 118 u. 119) und können dabei große Flächen der Kugel überziehen: Die phagocytierte Kugel in Abb. 118 hat etwa eine Oberfläche von 550 µm2, die von der gleichen Haemocyten zur Hälfte überzogene Kugel links darunter (Abb. 119) ein Oberfläche von fast 900 µm2; die gespreitete Zelle hat somit ihre äußere Membran (mit Phagosom) auf ca. 2000 µm2 ausgedehnt.

Die von Lithobius-Haemocyten phagocytierten Ml wurden regelmäßig lysiert (Abb. 101, 102, 104). Dabei wird der Murein-Sacculus der Diplokokken dünner und der Inhalt der Bakterien weniger elektronendicht; die Lysis beginnt bereits während der Phagocytose (Abb. 104), und selbst Ml, die nur in der Nähe von Haemocyten liegen, können lysiert werden.

Auch die gramnegativen Bakterien Enterobacter cloacae und Escherichia coli werden phagocytiert. Die meist zu Gruppen agglutinierten Enterobacter werden von den angrenzenden Haemocyten serienweise, aber offenbar einzeln aufgenommen (Abb. 105). Die einzelnen Phagosomen können zu größeren Phagolysosomen fusionieren, und wie bei S. cingulata werden die Bakterein in den Phagosomen oft von einer elektronendichten Masse umgeben (Abb. 107 u. 108). An einzelnen solcher Phagosomen wurde beobachtet, daß elektronendichte Lysosomen mit den Phagosomen verschmelzen (Abb. 106).

An den phagocytierten E. coli waren keine Anzeichen für beginnende Lysis (Abb. 108) zu erkennen. Im Gegenteil wurden einige nekrotische Haemocyten, die intakte E. coli enthielten, beobachtet. Enterobacter cloacae wurde dagegen in den Phagosomen lysiert. In Abb. 107 ist eine Reihe von unterschiedlich weit degradierten Bakterien gezeigt: Zunächst nimmt die innere Struktur der Bakterienzelle ab, dann schwillt sie an, wobei sie zunehmend homogener und elektronendichter wird.

Auch in L. forficatus-Präparaten waren phagocytoseaktive Haemocyten gelegentlich von benachbarten Zellen eng umschlossen, so daß sie in den Knötchen als kleine Aggregationszentren erscheinen.


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Copyright © 1996 Dr. L. Nevermann
[ Letzte Aktualisierung 25.07.00 ]