EINLEITUNG


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[Literatur]
Die Immunität der Evertebraten stützt sich auf eine Reihe zellulärer, humoraler und induzierbarer Abwehrreaktionen (MOHRIG & MESSNER 1968; TAYLOR 1969; MCKAY & JENKIN 1970 a, b, c; GÖTZ 1973, 1988; SCHAPIRO 1975; CHADWICK & ASTON 1978; NAPPI 1978; HULTMARK et al. 1980; LACKIE 1980, 1981, 1988; COOPER 1981; WARR 1981; BOMAN et al. 1986; FAYE 1990; TRENCZEK 1992; HULTMARK 1994; XYLANDER 1994; HOFFMANN 1995). 

Der Begriff Immunität war lange Zeit auf die erworbene, erwartende und hoch- spezifische Immunität der Wirbeltiere beschränkt und meinte jene Abwehrprozesse, die durch Antikörper – Immunglobuline – vermittelt werden; für die "niederen Tiere" galt er daher nicht. Tatsächlich berichtet aber schon METALNIKOV (1924, 1933) von der "Immunité chez les insectes". Unter "Immunantwort" und "Immunität" versteht man heute alle Fremderkennungs- und Abwehrreaktionen bei Tieren und auch Pflanzen.

Antikörper sind bei Evertebraten freilich bis heute nicht entdeckt worden, obschon homologe Aminosäuresequenzen bei Schwämmen in Rezeptormolekülen eine Rolle spielen (SCHÄCKE et al. 1994) und das Hemolin der Insekten, ein weiteres Protein aus der Immunglobulin-Superfamilie, Bedeutung bei der Fremderkennung besonders von Bakterien hat (SUN et al. 1990; LADENDORFF & KANOST 1991; SCHMIDT et al. 1993; ZHAO & KANOST 1996). Eine gewisse Spezifität der Immunreaktion und ein Gedächtnis der Immunität wurden auch bei Schaben gefunden (KARP 1990; KARP et al. 1994). Die Möglichkeit jedoch, eine hochspezifische Immunantwort zu bilden, wird für Evertebraten aufgrund theoretischer Überlegungen von KLEIN (1989) ausgeschlossen. 

Besonders intensiv und umfangreich untersucht wurden und werden die zellulären und humoralen Immunreaktionen der Insekten, Crustaceen und Mollusken, weniger die der Cheliceraten und Anneliden. Über Mechanismen der Immunreaktionen bei 'Myriapoden' gibt es dagegen nur wenige Veröffentlichungen (PALM 1953; BOWEN 1967; XYLANDER 1989, 1990, 1992 a; XYLANDER & NEVERMANN 1990; VAN DER WALT et al. 1990; NEVERMANN 1992; NEVERMANN & XYLANDER 1992; XYLANDER & BOGUSCH 1992; NEVERMANN & XYLANDER 1996; NEVERMANN et al. 1996).

Die 'Blutzellen' der Evertebraten, die Haemocyten bzw. Coelomocyten, sind das zentrale Element ihrer Immunantworten. Sie sind schon vor mehr als 200 Jahren beobachtet worden. Die erste Beschreibung findet sich bei SWAMMERDAM (1758). Im Fall einer Verletzung, wenn fremde 'Partikel' in die Leibeshöhle eindringen oder wenn eigens Gewebe stirbt, sind Phagocytoseprozesse und Kapselbildungen neben dem Wundverschluß die vornehmlichsten Aufgaben der Haemocyten (WIGGLESWORTH 1959; Salt 1970; GÖTZ 1982, 1988; SCHLÜTER & SEIFERT 1987; LACKIE 1988; Trenczek 1992; Xylander 1994).
Außerdem synthetisieren und/oder transportieren Haemocyten antibakterielle Substanzen (ZACHARY & HOFFMANN 1984; TRENCZEK 1988; SAMAKOVLIS et al. 1992; CHISHOLM & SMITH 1995) und sie enthalten Elemente des komplexen Phenoloxidase-Systems, welches mit seiner Aktivierungskaskade an der Fremderkennung beteiligt ist und im Verlauf der Reaktionen cytotoxische Stoffe bildet (TAYLOR 1969; Ratcliffe et al. 1984; LEONARD et al. 1985; SÖDERHÄLL & SMITH 1986 a; b; BREHéLIN et al. 1989; NAPPI & VASS 1993; CHARALAMBIDIS et al. 1994; NAPPI et al. 1995). Schließlich führt die Phenoloxidase zu einer Melanisierung zellulärer Kapseln oder Knötchen und damit zu einem dichten, inerten Einschluß von Eindringlingen (POINAR et al. 1968; DULARY & LACKIE 1985; BROOKMAN et al. 1989; CANICATTI 1992). Eine Ausnahme ist die zellfreie, humorale Kapselbildung bei Dipteren (VEY & GÖTZ 1975; GÖTZ et al. 1987; BREY et al. 1988; VEY 1993). 

Unter dem Eindruck der hier in aller Kürze dargestellten zahlreichen Facetten des Immunsystems der Evertebraten wurden die Haemocyten von Scolopendra cingulata und Lithobius forficatus hinsichtlich einiger funktioneller Aspekte untersucht: Zunächst werden sie anhand ihrer Ultrastruktur und ihres in vitro-Verhaltens klassifiziert, dann werden ihre Ausstattung mit Phenoloxidase, Peroxidase und Lysozym, sowie ihrer Exocytose- und Phagocytoseaktivitäten dargestellt; schließlich folgt die Beschreibung der spontanen und durch Partikel oder Bakterien induzierten in vitro-Knötchenbildung und der damit verbundenen Zell-Zell-Interaktionen. Die Zell-Zell-Interaktion findet in der Diskussion besondere Beachtung. 


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Copyright © 1996 Lutz Nevermann, hemocytes@nevermanns.de
[ Letzte Aktualisierung 26.07.00]