Immunreaktionen bei Chilopoden

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ERGEBNISSE UND GRUNDLAGEN VON IMMUNREAKTIONEN BEI ARTHOPDEN
Die Grundlage eines jeden Immunsystems ist die Fähigkeit zur Unterscheidung von Selbst und Fremd.

Nun ist es wichtig zu verstehen, daß bei Evertebraten Antikörper und MHC (major histocompatibility complex) nicht gefunden wurden, also andere Mechanismen der Fremderkennung zugrunde liegen müssen.
In Frage kommen hier physikalische Eigenschaften einer Oberfläche wie deren Ladung oder Hydrophobizität, physikalisch-)chemische Eigenschaften bestimmter mikrobieller Stoffen wie z.B. LPS oder ß-1,3-Glucanen.
Die Hauptakteure bei den Immunreaktionen der Arthropoden sind die Haemocyten. Auch heute noch werden sie vorwiegend aufgrund ihrer Form und Einschlüsse und ihres in vitro-Verhaltens unterschieden und angesprochen.
Die prominentesten Typen sind Prohaemocyten, Plasmatocyten, Granuläre Haemocyten und Sphaerulocyten. Allerdings ist die Nomenklatur nicht für alle Arthropodengruppen einheitlich, und selbst innerhalb der Insekten (Tracheaten) fällt eine Homologisierung der Haemocyten-Typen schwer.
Aber es werden zunehmen mehr monoklonale Antikörper gefunden, die bestimmte Haemocytentypen auch in verschiedenen Taxa markieren können.
Wenn nun Haemocyten durch den Kontakt mit einer Oberfläche stimuliert worden sind, kommt es zu u.U. rasanten Veränderungen der im nativen Zustand meist sphaerisch, ovoiden oder discoiden Zellen.
Die Augenfälligsten Aktivitäten sind Degranulation, Anheftung und Spreiten, Phagocytose, Aggregation und Noduli bzw. Kapselbildung.
Eine effektvolle Darstellung der Degranulation von in Kulturmedium auf einem Objektträger gespreiteten Lithobius-Haemocyten ist hier mit fluoreszenzfarbstoff-gekoppeltem WGA (Wheat Germ Agglutinin) gelungen.
Die Zellen wurde vor der Färbung mit Methanol fixiert.
Durch das Farbstoff-gekoppelte Lektin WGA wurde genau das exocytierte, von den Zellen wegdriftende Material und das noch in den Grana befindliche Ausgangsmaterial, deutlich markiert.
Das exocytierte Material unterliegt im nicht fixiertem Zustand offenbar einer Polymerisation, ähnlich der des Fibrins.
Die Degranulation der Haemocyten dient also zum einen dazu, eine Koagulation und damit einen Wundverschluß herbeizuführen.
Allerdings können durch Degranulation auch antibakterielle Substanzen freigesetzt werden, ich gehe später noch einmal darauf ein.
Das TEM-Bild einer Scolopendra-Haemocyte verdeutlicht hier nocheinmal wie sich der Inhalt spezieller Grana verändert bevor es als faserig strukturiertes Material exocytiert wird.
Kommen wir nun zum Anhaften und Spreiten der Haemocyte.
Dies ist auf einer inerten Oberfläche von deren physikalischen Eigenschaften abhängig. Allerdings sind die allermeisten artifiziellen den eigenen Oberflächen, etwa den Basallaminae, relativ unähnlich, werden also von den Haemocyten fast immer als fremd erkannt.
Auf einem Glasobjektträgern mit Kulturmedium haben sich diese Lithobius-Haemocyten daher schnell gespreiten; die Färbung – ein Nachweis von PO-Aktivität – ist hier nicht wichtig. Gut zu erkennen ist, daß die verschiedenen Haemocytentypen unterschiedlich spreitaktiv sind. Plasmatocyten spreiten in alle Richtungen, Granuläre Haemocyten spreiten unsymmetrisch und Sphaerulocyten spreiten gar nicht oder nur sehr wenig.
Dieses TEM-Bild zeigt an großen Latex-Kugeln gespreitete L. forficatus-Haemocyten, die Zellen sich sehr eng an die Kugeln angeheftet.
Und diese migrierende Plasmatocyte, die offenbar kleine Latex-Partikel phagocytiert hat, macht deutlich, daß Spreiten in gewisser Weise ein Versuch ist, große Objekte zu Phagocytieren; womit wir zum nächsten Punkt kommen.


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22. 11. 96 © Dr. L. Nevermann